Tantra - Ursprung und Bedeutung


Wörtlich kann der Begriff Tantra als weben, verwoben sein, Technik, Netz, Verbindung, Gerät zur Ausdehnung des Bewusstseins, übersetzt werden.

 

Alles was hier ist, ist Überall (auch anderswo) – Alles was nicht hier ist ist nirgendwo.“

(Mahavirana-Tantra)

 

Tantra entstand im 8. - 12. Jahrhundert n. Chr. als eine Reformbewegung, im Rahmen der verschiedensten Yogarichtungen. Er richtete sich damals gegen die Rigidität, des im altindischen verwurzelten Standpunktes, dass der Yogi sich von den Sinnen und der Welt abwenden müsse, um eine introvertierte Innenschau zu betreiben. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Abscheu gegen den Körper und eine Unterdrückung der Sinnenhaftigkeit. Dies war dem Tantra eine zu einseitige Sichtweise.

Diejenigen die in der Welt, in ihrem jeweiligen Kasten lebten, wurden zu immer rigideren Normen und Verhaltensweisen (Riten) getrieben. Man könnte sagen die Kultur steckte in einer Krise.

Der tantrische Ansatz betont zum ersten mal in der indischen Kultur die Bedeutung des „Individuellen“. Der Mensch soll sich als individueller Ausdruck des Universums begreifen.

Zur damaligen Zeit waren die Tantras revolutionär und provokant.

Die Siddas brachen mit der alten Tradition und entwarfen einen Ansatz der versuchte die Gegensätze in ein lebendiges Spannungsgefüge bzw. eine Einheit zu bringen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass dieser Ansatz nichts mit reinem Denken zu tun hat, sondern als praktischer Weg der Erfahrung verstanden werden sollte.1

 

Dr. Garote stellt die Epochen des Yoga in folgender Reihenfolge dar:

  • prävedische Epoche

  • vedische Epoche

  • upaniadische Epoche

  • epische Epoche

  • Patañjali

  • Smti

  • Purāna

  • tantrische Epoche

  • Neuzeit

Betrachtet man die einzelnen Yogatraditionen so lassen sich folgende dem Tantra zuordnen:

  • Haha-Yoga

  • Tantra-Yoga

  • Kundalini-Yoga

  • Kriya-Yoga

Im altindischen wurden Polaritäten und Gegensätze oft nihiliert oder beseitigt.

Tantra ist ein Versuch die Widersprüchlichkeit zur Einheit zu bringen. In anderen Worten ausgedrückt, der Tantra versucht mit seinen Methoden zur Mitte des Menschen zu kommen. Er versucht alles was einem im Leben begegnet als Möglichkeit zum Wachstum zu betrachten. Im Gegensatz zum älteren vedantischen Ansatz, welcher ein ausschließender Weg ist.

 

Es gibt keine Hindernisse nur Gelegenheiten“(Unbekannt)

 

Śiva und Śakti, Tag und Nacht, Sonne und Mond als symbolhafte Darstellung der Polaritäten sind nur einige Beispiele. Auch die Sexualität galt nicht mehr als Tabu, da die Darstellung der sexuellen Vereinigung den Tantrikern als gutes Beispiel der Vereinigung der Polaritäten schien. Allerdings sollte Tantra nicht mit profanen Sextechniken verwechselt werden. Das Bildnis der Vereinigung von Mann und Frau soll vielmehr stellvertretend als „Prozess der Erleuchtung“ verstanden werden.

 

Ein Beispiel aus den Atemtechniken: Die Wechselatmung hat zum Ziel die beiden nadis (Ida und Pingala) als das Prinzip von Mond (passiv - empfangend) und Sonne (aktiv – gebend) zu harmonisieren.

 

tantrische Techniken im Hatha-Yoga:

  • āsana

  • kriyā

  • prānāyāma

  • mudrā

  • nyāsa (das projizieren von Gottheiten auf Körperteile)

  • Meditation über die chakren (mit Bildern, Symbolen und Klängen)

12 Punkte die Tantra ausmachen:

  • Mikrokosmos = Makrokosmos (Der tantrische Yoga versucht den Körper mit den Kräften der Natur gleich zu setzen.)

  • Alles ist mit Allem verbunden (kein ausschließendes Prinzip wie im älteren vedantischen Ansatz)

  • Aufwertung des weltlichen und des leiblichen

  • Yoga ist bhoga (Genuss) – also kein asketischer Ansatz

  • sexuelle Symbolik (Śiva und Śakti )

  • Aufwertung des Weiblichen

  • Kritik am neutralen Brahman-Begriff – Das Herz kann keine Beziehung zum Neutrum aufbauen.

  • Praxis steht im Vordergrund

  • Inklusiver Charakter, heißt Alles wird mit eingeschlossen

  • Unendliche Zugangswege

  • demokratisch im Gegensatz zum elitären Brahmanentum

  • Erkennt die Veden nicht an

1vgl. Gottmann A. - „Wegweiser zur Quelle“ S. 191-205